Am Samstag gegen 12:00Uhr hat ein Erdstoß der Stärke 7.6 große Teile der Infrastruktur Nepals erstört. Viele alte Gebäude liegen in Schutt und Asche. Im Moment geht man von 8000 Toten aus. Ich glaube aber, dass es auf Grund der schwierigen Kommunikationsmöglichkeiten besonders in die ländlichen Landesteile noch nicht alles bekannt ist und durchaus noch mehr Schäden und Tote sein können.
Glücklicherweise sind alle unserer Projektpartner wohlauf, die Gebäude am PMC in Shreechaur und am Kinderhaus in Dhulikhel sind in Ordnung. Aber viele Privathäuser sind zerstört.
Heute (28.4.) gegen 12:00Uhr sind die 72 Stunden um, die die Experten als kritische Zeit für Nachbeben ansehen. Eines der Nachbeben hatte noch einmal eine Stärke von über 6. Alle Menschen sind in großer Angst. Die meisten Leute übernachten im Freien, fern von Gebäuden, Bäumen, Lichtmasten etc. was auf Grund der Temperaturen geht.
Ich habe in die erste Nacht hinterm Tibet Guesthouse in Garten der Sunrise Cottage verbracht. Ab und u geht das Mobilfubknetzwerk. Später vricht es wieder zusammen. Ich habe mir mangels Telefonkontakt große Sorgen über das Mädchenhaus in Dhulikhel gemacht. Busse fuhren keine, selbst die Taxifahrer hatten Vorbehalte, die ca. 30 km zu fahren. Ich habe dann eine für nepalesische Verhältnisse horrende Summe (40€) bezahlt, als ich endlich ein Taxi fand. Mir fiel total ein Stein vom Herzen, als ich alle Kinder und Menuka, die Hausmutter im Garten auf einer Decke sitzend vorfand. Alle sind wohlauf, das Haus ist in Ordnung, nur die Umrandungsmauer ist etwas zerstört. Saru war nicht zu Hause, ihr Mobiltelefon funktionierte auch nicht. Glücklicherweise meldete sie sich am Nachmittag dann noch. Sie ist in Sicherheit bei einer Freundin. Deepika, Rasila und ich gehen eine Plastikplane und Seile für die Nacht und etwas zu Essen in Dhulikhel einkaufen. Ein Nachbeben überrascht uns in der Stadt, aber es ist gleich vorbei. Die folgende Nacht bleibe ich lieber in Dhulikhel und übernachte bei den Mädchen im Garten. Es ist sicherer als in den Straßenschluchten von Kathmandu. Leider regnet es fürchterlich und ich werde, da ich ganz außen schlafe, immer wieder etwas nass. Es gibt in dieser Nacht drei leichte Nachbeben. Am Morgen gegen 6:00Uhr stehen wir auf. Menuka macht einen Tee, irgendwann gibt es dann Essen. Am Vormittag erscheint eine heiße Sonne am Himmel und alles trocknet wieder schnell. Nach einem Gespräch mit Suren und Kedar von Sahara Commitee, fahre ich von Banepa aus mit dem Bus nach Kathmandu zurück.
Im Tibet Guesthouse muss ich das Zimmer wechseln. Alle Gäste sollen im Haupthaus wohnen. Es gibt den ganzen Tag Tee, Kaffee und Kekse, Nur wenige Läden sind geöffnet. Ich decke mich mit Wasser und Schokolade ein, kaufe noch eine Isomatte und einen Biwaksack und verbringe dann die Nacht außerhalb Thamels im Gelände der SAARC-Büros. Dort sind viele Nepalesen mit Kind und Kegeln hingekommen. Es gibt ein kleines Nachbeben gegen 21:30Uhr. Ansonsten bleibt es ruhig.
Viele Touristen versuchen, Nepal zu verlassen. Eine Umbuchung ist schwierig. Die Büros der Fluggesellschaften am Flughafen verweisen auf die Büros in de Stadt. Diese sind geschlossen. Von der deutschen Botschaft berichten drei junge Leute folgende Antwort auf eine Unterstützungsanfrage: „Übernachten könnt ihr hier gerne. Wegen eines Heimfluges haben wir nichts. Wir sind ja schließlich kein Reiseunternehmen!“ Klasse Service.
Trotz dessen, dass es nun seit Stunden ruhig ist, sitzt jedem eine unterschwellige Angst im Nacken. Wenn ich durch die Straßen laufem zucke ich unwillkührlich bei jedem lauten Geräusch oder Geschrei zusammen. Unwillkürlich schaue ich alle paar Meter, wo der nächste Weg zu einer sichereren Stelle ist, zu der ich hinrennen werde. Ich schleppe ständig meinen Rucksack mit Dokumenten, Geld, Medikamente, Schlafsack, Taschenlampe, Computer, Fotoapperat, … mit mir rum. Im Zimmer sind alle Taschen gepackt: der Rucksack für die Heimreise, die Tasche, die hier im TGH bleibt und eine Tasche für Dina…. Falls es mal schnell gehen muss.
Einerseits ist es nicht gut, hier zu bleiben und von den Reserven der Nepalesen zu nehmen. Andererseits will ich aber auch nicht einfach abhauen, ohne die Freunde noch einmal zu sehen. Da komme ich mir auch komisch vor.
Von einigen Reisenden aus den Bergen habe ich bisher keine Nachricht, ob es ihnen gut geht. Hoffen wir das Beste! Inzwischen rollt auch bei unserem Verein in Nepal die Hilfsaktion an. Ich kann nur darum bitten für die Menschen hier etwas zu tun. Bald kommt die Regenzeit und es gibt so viele kaputte Häuser.
Alles Gute aus Kathmandu
Holger